9/05/2013

Blaue Blume

"Salvia, lavender, hollyhock, scabiosa"
on painting zwei – Ludwig Kittinger, Constanze Schweiger. Photograph: Thomas Ries (detail)

Sich ganz dem Zufall überlassen. Von oben betrachtet werden zahllose Bestimmungen sichtbar, gestreut über einen offenen Grundriss. Kornblume im Feld. Rittersporn. Heliotrop oder Aster. Zurücktreten, die Ärmel hochkrempeln, nach einer Zigarette greifen. Hier also, mitten im Grün, ein kleines Blau. Immergrün. Alles, was zwischen den einzelnen Farbpunkten liegt, verschwindet. Blassblaue Wegwarte, in dem Bereich wo Kiesel, Sand und Wiese ineinander übergehen. An so einer Stelle bücken und die Schnürsenkel richten. Tollkirschenblüte. In ihrer unmittelbaren Nähe steht die Trichterwinde. Vorstellungen und Eindrücke mischen sich, seine eigenen Gesten gehören ihm nicht mehr. Linsenblüte, zusammen mit Salbei und Indigolupine in einem bunten Sack. Alles in einem, so entsteht eine Verbindung. Nachts. Schwarz schluckt Blau. Eigentlich fühlt er sich nirgendwo zu Hause. Vergissmeinnicht, draussen am Zaun vor dem Garten. Im Garten blaue Hortensien. Hier wird Blau durch die Zugabe von Alaun und Essig an den Boden provoziert; frostig, fern und klar zu erkennen. 
  Am Morgen dann werden Iris und Hyazinthen aus dem Kühlraum in die Auslage gestellt. Gleich unterhalb eine Ritze im Asphalt, in die alles verschwinden und aus der alles wieder auftauchen, zu Pulver vermahlen und in eine festumrissene Form gebracht werden kann.
  Und so beschreibt Novalis in Blüthenstaub (1802) seine Vorstellung von Zukunft: „Vor der Abstraktion ist alles eins, aber eins wie Chaos; nach der Abstraktion ist wieder alles vereinigt, aber diese Vereinigung ist eine freie Verbindung selbständiger, selbstbestimmter Wesen.“